Potenzialgruppe 50plus – Lösungswege für den Arbeitskräftebedarf in OÖ

WAGE-Netzwerk sieht drei Handlungsfelder: Pensionist:innen, beim AMS verfügbare Arbeitskräfte und Qualifizierung. Ein Bericht zur Veranstaltung.

Die Nachfrage nach Arbeitskräften in Oberösterreich ist ungebrochen. Auch im November 2022 zeigten die AMS-Arbeitsmarktdaten 29.907 offene Stellen gegenüber 26.283 Arbeitssuchenden. Auf vier aktuelle offene Lehrstellen kommt derzeit ein verfügbarer Lehrling. Nicht berücksichtigt ist hier eine Dunkelziffer an Stellen, die unbesetzt sind aber nicht beim AMS gemeldet werden.

Gründe für die Arbeitsmarktsituation sind nach wie vor die konjunkturelle Lage sowie das Eintreten einer lange prognostizierten demographischen Entwicklung: immer mehr geburtenstarken Jahrgänge erreichen das Pensionseintrittsalter.

WAGE-Think-Tank zu Lösungswegen der Potenzialgruppe 50plus

In einem Think-Tank des WAGE-Netzwerks haben sich im Panoramasaal des WIFI Linz Vertreter*innen aus oberösterreichischen Leitbetrieben mit Systempartnern getroffen, um sich darüber zu beraten, welche Lösungswege die Potenzialgruppe 50plus künftig bieten kann.

Dabei wurden drei Handlungsfelder identifiziert, zu denen es Impulse von Fachexpert*innen mit anschließendem Austausch gab:

  1. Das Halten und (Zurück)Holen von Pensionist*innen
  2. Nutzung der beim AMS verfügbaren Arbeitskräfte 50plus
  3. Halten von Mitarbeiter*innen 50plus durch (Weiter)Qualifizierung

Moderiert wurde die Veranstaltung vom Koordinator des WAGE-Netzwerks, Claus Jungkunz, und von WIFI-Gastgeber Helmut Hattmannsdorfer.

1) Pensionist*innen als Arbeitskräfte nutzen

13 Prozent oder 13.500 von Oberösterreichs Pensionist*innen sind auf „jeden Fall“ daran interessiert, auch nach dem Pensionseintrittsalter weiterzuarbeiten so eine Market Studie von 2022 (I N F O R M A T I O N (markus-achleitner.at). August 2022). Das entspricht in etwa 4.400 Vollzeitarbeitsstellen. Bei steuerfreiem Zuverdienst würde diese Zahl sogar auf 25% und 9.000 Vollzeitstellen anwachsen.

Eva Gruber aus Steyer ist eine Person aus dieser Gruppe und erzählte im WAGE-Think-Tank von ihren Beweggründen. Sie arbeitet in Linz und ist auch vier Jahre nach Antritt ihrer Regelpension noch beruflich tätig. Zwei Jahre vor Erreichen der Pensionsgrenze hatte sie noch ihren Arbeitgeber gewechselt. Die Arbeit in der neuen Firma hat ihr so gut gefallen, dass sie noch weiter geblieben ist. „Ich bin noch nie vorher in meinem Leben persönlich so wertgeschätzt worden, die Arbeit im Team macht mir viel Freude.“ so Eva Gruber. Wichtig war ihr, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden konnten, die zu ihrer Lebenssituation passen. Dazu gehörten eine Reduktion auf 20 Wochenstunden sowie die Option auf Homeoffice, um Fahrtzeiten von Steyr nach Linz zu reduzieren.

Eine Sichtweise der Arbeitgeberseite steuerte Paul Eiselsberg vom IMAS Institut bei. Im Rahmen einer WKOÖ-Studie wurden im März 2022 300 oberösterreichische Betriebe mit 2-249 Mitarbeitenden befragt.

56% der Unternehmen gaben an, dass die Deckung des Personalbedarfs als künftig größte Herausforderung angesehen wird. Das größte Lösungspotenzial sehen die Unternehmen derzeit in der Steigerung der Frauenerwerbsquote. Das Zurückholen und Halten von Pensionist*innen ist halten rund ein Viertel für zielführend.

2) AMS: verfügbare Arbeitskräfte 50plus

Maria Brunner, Abteilungsleiterin für Projektförderungen beim AMS, gab einen detaillierten Einblick über das aktuell beim AMS gemeldete Arbeitskräftepotenzial 50plus. Im November waren in Oberösterreich 8.954 Personen 50plus arbeitslos gemeldet. Das sind 34,1 Prozent aller Arbeitssuchenden. In der Altersverteilung ist ein deutlicher Trend erkennbar. Je älter die Arbeitssuchenden sind, desto weniger Schulungsmaßnahmen werden in Anspruch genommen. Langzeitarbeitslosigkeit sowie gesundheitliche Fragestellungen steigen dagegen. Die Zahl an vorgemerkten Frauen nimmt ab 60 Jahren stark ab, da das Pensionseintrittsalter bereits erreicht wurde. Es gibt aber auch Ausnahmen. Der älteste vorgemerkte Klient beim AMS Oberösterreich ist derzeit 86 Jahre alt und immer noch aktiv.

Das AMS bietet mit der Servicestelle Job und Wirtschaft eine spezielle Vermittlungsberatung für 50. Dabei können sich Firmen über Arbeitserprobung und Arbeitstraining ein genaues Bild machen, an welchen Stellen im Betrieb Personen am besten passen können. Dabei können vom AMS geförderte Qualifizierungen genutzt werden.

3) 50plus durch (Weiter)Qualifizierung

Helmut Hattmannsdorfer konnte mit einer Auswertung des Nutzungsverhaltens von WIFI-Kursen aufzeigen, welche Bildungsangebote von unterschiedlichen Altersgruppen genutzt werden. Auffallend ist, dass technische Kurse wie IT-Skills nach wie vor männerdominiert sind und insgesamt mit fortschreitendem Alter stark abnehmen. Kurse zu Management und Unternehmensführung werden dagegen ab einem Alter von 45 Jahren stark frequentiert. Dies kann damit zusammenhängen, dass ab diesem Alter die Selbständigkeit eine große Rolle spielt. Allgemeine Bildungsangebote wie Sprachkurse werden mit zunehmendem Alter wieder stärker gebucht. Dies kann laut Hattmannsdorfer schon mit beabsichtigten Reisetätigkeiten in der nahenden Pension zusammenhängen.

Was die Betriebe wollen und brauchen

Der Austausch der Betriebe und Systempartner im Think-Tank drehte sich um zwei Kernfragen: Welche Ansatzpunkte der Thematik 50plus sind für die Betriebe zielführend, um ihren Personalbedarf künftig zu decken? Welche Rahmenbedingungen sind dafür erforderlich?

Das Potenzial der Personengruppe 50plus wird von den teilnehmenden Betrieben als sehr hoch eingeschätzt. Insgesamt brauche es dazu eine Flexibilisierung bisheriger Denkstrukturen und Rahmenbedingungen im Betrieb. Ergebnis kann ein Fokus auf die (Weiter)Entwicklung der Gruppe 50plus sein. Qualifizierung, alternsgerechte Arbeitsplätze und das Thema Wertschätzung können hier eine wichtige Rolle spielen. Auch im Recruiting könnten Schwerpunkte gesetzt werden. Die Betriebe, die in der Lage sind, die Potenzialgruppe 50plus besser zu nutzen, könnten künftig einen Schritt voraus sein. Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen kamen zur Sprache. Dazu müssten z.B. durch Steuervergünstigungen zusätzliche Anreize geschaffen werden, damit Personen länger in Beschäftigung gehalten werden können.

Das WAGE-Netzwerk

Das WAGE-Netzwerk („Winning Age“) ist ein Zusammenschluss aus über 80 oberösterreichischen Betrieben und allen relevanten arbeitsmarktpolitischen AkteurInnen in Oberösterreich. Das Kernteam bilden Sozialministeriumservice, AKOÖ, AMS, AUVA, Business Upper Austria, OÖ Gesundheitsholding, Österreichische Gesundheitskasse und WKOÖ. Seit 2004 arbeitet das Netzwerk gemeinsam an Lösungsszenarien zu Themen von Arbeit und Alter, die für Unternehmen Herausforderungen in der betrieblichen Praxis darstellen. www.wage-netzwerk.at

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